Rudolf Göser

Ausblick - was mein Interesse fesselt bis energetisiert:
Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte

2.1.1
Qualitäts-Philosophie für die Frühpädagogik

Qualitäts-Philosophie betreiben geht an die Substanz, ist anstrengend – und doch so wichtig, gerade für die Praxis vor Ort! Gemeint ist damit ein Nachdenken, was der Begriff „Qualität“ überhaupt bedeutet, von welchen Voraussetzungen wir beim Qualitätsmanagement ausgehen und welche Folgen sich daraus für die Bewertung ergeben.

Prof. Dr. Bernhard Kalicki vom Deutschen Jugendinstitut – ein in der Fachwelt anerkannter und deutlich sichtbarer Autor – spricht von einem Theoriedefizit. Die Qualitätsdiskussion in der Frühpädagogik ist stark von der empirischen Forschung geprägt. Die Folge ist, dass praktizierte „beste Praxis“ zur Qualitätsnorm wird. Legt man beispielsweise die UN-Kinderrechtecharta oder das christliche Menschenbild zu Grunde – viele ErzieherInnen orientieren sich an diesem Anspruch –, dann sind damit viel höhere Messlatten gelegt als vergleichende beste Praxis. Eine Orientierung an der vergleichenden besten Praxis wird deshalb dem tatsächlichen Leistungsniveau und dem Leistungsanspruch insbesondere der pädagogischen Fachkräfte in kirchlichen Einrichtungen nicht gerecht.

Die dringend notwendige Orientierung des Qualitätsbegriffs an der DIN EN ISO 9000er Norm stellt den in der frühpädagogischen Fachwelt eingeführten und in der Qualitätsdiskussion führenden Begriff „Prozessqualität“ in Frage. In der dieser Fachwelt meint der Begriff „die zentralen Bildungsprozesse, die beim Kind selbst, in der Interaktion zwischen dem Kind und der pädagogischen Bezugsperson und im Zusammenwirken mit anderen Kindern entstehen“ (Tietze, Strehmel, …). Damit umfasst der Begriff sowohl u. a. neuronale Vorgänge im Gehirn des Kindes mit der Folge von Wissensaneignungen und Verhaltensänderungen sowie soziale Beziehungsphänomene unterschiedlicher Art. Solche und andere Theorieansätze greifen jeweils zu kurz und führen dazu, dass Kalicki den Begriff als „Blackbox“ bezeichnet. Ungeklärt bleibt, ob der Bedeutungsschwerpunkt bei diesem zusammengesetzten Begriff „Prozessqualität“ nun bei „Prozess“ oder „Qualität“ liegt. Die Aufforderung von Moss, die Bedeutung des Begriffs „Qualität“ zu untersuchen wird, von der Fachwelt nicht aufgegriffen – wissenschaftlichen Standards entspricht das nicht.

In der 9000er Norm, die sich dem prozessorientierten Ansatz verpflichtet weiß, wird der Begriff „Qualität“ klar definiert. Und der Begriff „Prozess“ wird in der Norm entlang der tatsächlichen Leistungserbringung einer Fachkraft in der realen organisatorischen Umgebung als Abfolge von aufeinander bezogenen Tätigkeiten festgelegt. Damit werden bewährte Handlungsmuster im pädagogischen Alltag beschreibbar – und nicht nur das: die im Kern unbeschreibbare Kunst der Fachkraft, mit der sie die Beziehung zum Kind gestaltet und sich situativ auf die Erfordernisse des Kindes einstellt, wird am Erfolg beim gemessen und nicht daran, ob man es gemacht hat wie die anderen. Damit wird respektiert: Jedes Kind ist anders – und die Kunst der Fachkraft ist, gerade darauf eingehen zu können!

Was das für die Entrümpelung gängiger Qualitätshandbücher zu Gunsten von mehr Qualität bedeutet, darüber möchte ich gerne mit anderen nachdenken – und neue Wege gehen.

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