Ausblick - was mein Interesse fesselt bis energetisiert:
Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte
Qualitäts-Philosophie betreiben geht an die Substanz, ist anstrengend – und doch so wichtig, gerade für die Praxis vor Ort! Gemeint ist damit ein Nachdenken, was der Begriff „Qualität“ überhaupt bedeutet, von welchen Voraussetzungen wir beim Qualitätsmanagement ausgehen und welche Folgen sich daraus für die Bewertung ergeben.
Prof. Dr. Bernhard Kalicki vom Deutschen Jugendinstitut – ein in der Fachwelt anerkannter und deutlich sichtbarer Autor – spricht von einem Theoriedefizit. Die Qualitätsdiskussion in der Frühpädagogik ist stark von der empirischen Forschung geprägt. Die Folge ist, dass praktizierte „beste Praxis“ zur Qualitätsnorm wird. Legt man beispielsweise die UN-Kinderrechtecharta oder das christliche Menschenbild zu Grunde – viele ErzieherInnen orientieren sich an diesem Anspruch –, dann sind damit viel höhere Messlatten gelegt als vergleichende beste Praxis. Eine Orientierung an der vergleichenden besten Praxis wird deshalb dem tatsächlichen Leistungsniveau und dem Leistungsanspruch insbesondere der pädagogischen Fachkräfte in kirchlichen Einrichtungen nicht gerecht.
Die dringend notwendige Orientierung des Qualitätsbegriffs an der DIN EN ISO 9000er Norm stellt den in der frühpädagogischen Fachwelt eingeführten und in der Qualitätsdiskussion führenden Begriff „Prozessqualität“ in Frage. In der dieser Fachwelt meint der Begriff „die zentralen Bildungsprozesse, die beim Kind selbst, in der Interaktion zwischen dem Kind und der pädagogischen Bezugsperson und im Zusammenwirken mit anderen Kindern entstehen“ (Tietze, Strehmel, …). Damit umfasst der Begriff sowohl u. a. neuronale Vorgänge im Gehirn des Kindes mit der Folge von Wissensaneignungen und Verhaltensänderungen sowie soziale Beziehungsphänomene unterschiedlicher Art. Solche und andere Theorieansätze greifen jeweils zu kurz und führen dazu, dass Kalicki den Begriff als „Blackbox“ bezeichnet. Ungeklärt bleibt, ob der Bedeutungsschwerpunkt bei diesem zusammengesetzten Begriff „Prozessqualität“ nun bei „Prozess“ oder „Qualität“ liegt. Die Aufforderung von Moss, die Bedeutung des Begriffs „Qualität“ zu untersuchen wird, von der Fachwelt nicht aufgegriffen – wissenschaftlichen Standards entspricht das nicht.
In der 9000er Norm, die sich dem prozessorientierten Ansatz verpflichtet weiß, wird der Begriff „Qualität“ klar definiert. Und der Begriff „Prozess“ wird in der Norm entlang der tatsächlichen Leistungserbringung einer Fachkraft in der realen organisatorischen Umgebung als Abfolge von aufeinander bezogenen Tätigkeiten festgelegt. Damit werden bewährte Handlungsmuster im pädagogischen Alltag beschreibbar – und nicht nur das: die im Kern unbeschreibbare Kunst der Fachkraft, mit der sie die Beziehung zum Kind gestaltet und sich situativ auf die Erfordernisse des Kindes einstellt, wird am Erfolg beim gemessen und nicht daran, ob man es gemacht hat wie die anderen. Damit wird respektiert: Jedes Kind ist anders – und die Kunst der Fachkraft ist, gerade darauf eingehen zu können!
Was das für die Entrümpelung gängiger Qualitätshandbücher zu Gunsten von mehr Qualität bedeutet, darüber möchte ich gerne mit anderen nachdenken – und neue Wege gehen.
Eltern wissen es: Gelingt es der Lehrerin und dem Lehrer bei den Kindern gut anzukommen, ist das super. „Gut ankommen“ ist alles andere, als sich anbiedern. Es schließt ein, dass die Kinder Vertrauen entwickeln und sich auf Anregungen einlassen können – Motivation und Freude entsteht. Dass sich so etwas in der Schule, im Kindergarten oder im Hort einstellt ist nicht selbstverständlich. Da kommen viele begünstigende Faktoren zusammen, zumeist auch solche, die in der Persönlichkeit der Lehrperson angelegt sind. Aber auch begünstigende Rahmenbedingungen durch örtliche, räumliche – sowie auch personelle Voraussetzungen, etwa durch aufmerksame Vorgesetzte. Die Anzahl solcher Faktoren tendiert ins Unzählige, das merken Eltern schnell, wenn sie einige Beispiele aufzählen und dann doch summarisch eher von „günstigen Zufällen“ sprechen, die da zusammen kommen.
Die Wissenschaft hat dafür den Begriff der Komplexität. Der Systemtheoretiker Dirk Baecker unterscheidet zwischen komplizierten und komplexen Phänomen. „Kompliziert“ sind Phänomene, wenn sich die gegenseitig beeinflussenden Faktoren in „wenn – dann“ Konstellationen darstellen lassen, auch wenn man dazu mit großen Datenmengen und mit statistischen Methoden arbeiten muss. Mit deren Hilfe lassen sich ggf. Muster entdecken und beschreiben. „Komplex“ hingegen sind Phänomene, die sich im laufenden (Untersuchungs-)Prozess gegenseitig so beeinflussen, dass sie jeweils die Voraussetzungen für nächste Prozessschritte determinieren. Die Folge davon ist: die Faktoren lassen sich nicht mehr in eine „wenn – dann“ Relation bringen. Sie sind wirklich komplex, also unvorhersagbar und damit zufällig.
Eltern „wissen“ von solchen günstigen Zufällen, die empirisch operierende pädagogischen Wissenschaft hat zu diesem Wissen keinen Zugang. Sie kann nur komplizierte, aber keine komplexe Phänomene erfassen. Systemtheoretische Ansätze hingegen respektieren die nicht auflösbare Komplexität der Selbstorganisation von Systemen. Überraschungen sind dann die Regel und nicht mehr die Ausnahme. Es geht darum, dass pädagogisches Fachkräfte sich auf den Weg machen, den Zufall zu organisieren, also den Zufall, dass Kinder mit engagiertem Eifer lernen, dabei Freude erleben, Freunde gewinnen und sich gegenseitig stärken.
Was das für die alltägliche Pädagogik sowie für das Management von pädagogische Qualität bedeutet, darüber möchte ich gerne mit anderen nachdenken – und neue Wege gehen.
Pädagogisches Fachpersonal, insbesondere Leitungen von katholischen Kitas und Familienzentren wünschen sich Aufmerksamkeit und Gehör von ihrem Träger. Sehr gerne wollen sie ihren TrägervertreterInnen erzählen – und illustriert an Beispielen erklären – wie sie arbeiten, was sie dabei alles machen und wie wirkungsvoll das für die Kinder und deren Eltern ist. Doch trotz aller signalisierten Bereitschaft des Trägers – das klappt nur bedingt. Der Träger zeigt sich „vielgesichtig“. Beauftragte für Pastoral und Beauftragte für Verwaltung zeigen sich als zwei „Gesichter“ – zuständig für die fachlich-pastoralen Aspekte und für die Verwaltungsarbeiten. Sie sind jedoch „nur“ Beauftragte, die „Gesichter“ des (Gesamt-)Kirchengemeinderates, die zusammen mit dem Pfarrer (Dekan) i. d. R. der eigentliche Träger sind und eine Weisungs- sowie Aufsichtspflicht für ihre Beauftragten haben, werden seltener gesehen.
Jedes dieser „Gesichter“ ist in einer anders-eigenen Sprachwelt verwurzelt. Das lässt sich recht gut am Begriff der „Haltung“ aufzeigen. Für pädagogisches Fachpersonal ist die Haltung gegenüber dem Kind und den Eltern sehr wichtig. Was sie damit meinen? Eine wertschätzende Haltung gegenüber Allem – auch wenn es überraschend, ungewöhnlich oder befremdlich ist –, mit der inneren Einstellung: „Stärken stärken!“ Pastorales Personal jedoch verbindet damit oft eine Offenheit gegenüber Gott, die sich in einer gelebten Glaubenshaltung und entsprechenden Lebenseinstellung zeigt. Verwaltungsfachleute geben sich gegenüber geforderten Haltungen gerne zurückhaltend neutral – Sparsamkeit und eine effiziente Mittelverwendung sollten jedoch schon im Blick sein. KGR-MitgliederInnen sehen mitunter eine kirchliche Haltung eingelöst und sind erleichtert, wenn ErzieherInnen sich religionspädagogisch engagieren. Es fehlt eine gemeinsame Sprache, mit der sich die Verantwortlichen der unterschiedlichen Ebenen – zusammen mit den Eltern (und den Kindern!) – darüber verständigen, in welchem Grad sie den hohen Leitwert des christlichen Menschenbildes umsetzen. Mit dem gemeinsamen Tischgebet oder mehreren Kindergottesdiensten im Jahresverlauf ist es nämlich noch nicht getan. Werden die Kinderrechte wirklich respektiert? Welche Bedeutung wird dem Vorrecht der Eltern in der Erziehungsaufgabe und -pflicht wirklich eingeräumt? Der KGR müsste sich mit diesen grundlegenden Werten auseinandersetzen und eventuell erkennen, wie viel Respekt vor der Andersartigkeit unter den Menschen in der mit der „Stärken stärken“-Haltung der ErzieherInnen steckt und in welcher Weise der Anspruch des christlichen Menschenbildes damit gelebt wird. Das ganze System muss in den Blick – fordern Fachleute! Das gelingt am ehesten im Gebrauch der die Emotionen und blumigen Worte neutralisierenden Sprache der Leitgedanken und der Prozesse, wie dies ein professionelles Qualitätsmanagementsystem einfordert.
Die folgende Grafik stellt einzelne Elemente des gesamten Systems dar. Darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen – das interessiert mich wirklich!
